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Manfred Klett:
"In Anknüpfung an den Beitrag 'Maria Thun und ihre Quellen'
von Liesbeth Bisterbosch im ´Goetheanum´ Nr. 20/2012"
16.6.2012

Für die Ausführungen von Liesbeth Bisterbosch zu den Arbeiten von Maria Thun [...] bin ich sehr dankbar. Sie stehen voll und ganz im Einklang mit meinen Überlegungen, die allerdings bruchstückhaft geblieben sind. Aus zeitlichen Gründen war es mir nicht vergönnt, die historisch-kosmologischen Hintergründe in ein mich befriedigendes Gesamtbild zu bringen. Aufgrund der geschilderten Tatsachen von Liesbeth Bisterbosch liegt jetzt in Umrissen ein solches Gesamtbild vor, das gewiss durch manches historische Faktum noch ergänzt werden könnte. [...]

Ich möchte aus meiner Sicht noch Folgendes anmerken: Ich habe stets in voller Anerkennung des ungeheuren Fleißes von Maria Thun und in Bewunderung ihres großen Helferwillens sowie ihres unbedingten Wirkens in und für die biologisch-dynamische Bewegung die Ansicht vertreten, dass sie die Schlussfolgerungen und Empfehlungen, die sie in ihrem Kalender trifft, allein zu verantworten habe, dass sie sich in dieser Hinsicht nicht auf Rudolf Steiners landwirtschaftlichen Kurs ´Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft` (GA 327) stützen könne.

Hier stehen sich zwei in gewissem Sinne grundsätzliche Wegrichtungen gegenüber. Rudolf Steiner erwähnt in seinem Kurs mit keinem Wort den siderischen Mondrhythmus, das heißt den Umlauf des Mondes durch den Tierkreis.

Vielmehr nimmt er gleich zu Anfang, retrospektiv vergangene Traditionen in die Gegenwart emporhebend, die Bedeutung des synodischen Mondrhythmus in den Blick, das heißt des sichtbaren Mondes in seinen wechselnden Phasen von Vollmond zu Neumond und so weiter. Hier also besteht die Beziehung Sonne—Mond—Erde.

Wenn sonst im Kurs vom Mond gesprochen wird, so in der Regel in dem Sinne, dass es die dem Mond eigenen Kräfte sind, die im Irdischen wirken,

  • zum Beispiel im Mineralischen; die Begierigkeit des Kalkes für das untersonnige Wirken, besonders das des Mondes;
  • im pflanzlichen Leben die Besorgung von Wachstum und Reproduktion;
  • die Vernichtung eben dieser Reproduktionskraft im Falle der Unkräuter durch die Samenveraschung oder
  • schließlich die Reduzierung überschüssiger Mondenkräfte im Boden durch die Anwendung von Schachtelhalm.

Nirgends in den Hinweisen Rudolf Steiners findet sich eine Systematik im Wirken des Mondes im Verhältnis zum Tierkreis. Eine solche eherne Systematik widerspräche dem Geist des Kurses, der ganz auf das freie schöpferische Handeln des Menschen ausgerichtet ist.

Das Gegenteil ist der Fall: Wie ein roter Faden zieht sich durch den Kurs die Beziehung Erde—Sonne und schließlich, im Zusammenhang mit der Veraschung der Insekten, die Beziehung Erde—Sonne—Tierkreis. Man sollte nicht «von der Sonne im Allgemeinen sprechen. Man sollte eigentlich sagen: Widdersonne, Stiersonne, Krebssonne, Löwensonne und so weiter».

Rudolf Steiner thematisiert das Sonnenwirken im Irdischen, wie es sich im Jahreslauf vor allem in der Polarität von Winter und Sommer darstellt. Auf dieses polarische Wirken gründet die Methodik der Herstellung der biologisch-dynamischen Präparate, deren düngende Wirkung in der Erschließung neuer Entwicklungspotenziale in der Stoffeswelt, in der «Belebung des Festen, Erdigen selber» und damit im Werden der Erde und des Menschen insgesamt zu suchen ist.

Ohne diese Beziehung Erde—Sonne, ohne dieses, worauf Peter Kunz in seinem Leserbrief im Nr. 12/2012 aufmerksam gemacht hat, dass «der Mensch einst Sonne werde», wäre der von Rudolf Steiner eingeführte Kernbegriff der «landwirtschaftlichen Individualität», die «in der Zeit fortschreitet», ohne jeden Inhalt.

Es geht im Sinne der aus der Geistesforschung Rudolf Steiners inaugurierten Landwirtschaft nicht um die bloße Erhaltung und Fortschreibung der werkgewordenen Welt. Das würde die Einschränkung auf gesetzmäßig-systematisches Vorgehen im Sinne der gegebenen ökologischen und kosmologischen Verhältnisse rechtfertigen.

Es geht vielmehr darum, das in der menschlichen Seelenentwicklung wirksame Entwicklungsprinzip der außermenschlichen Natur, dem Götterwerk, einzupflanzen.

Im Landwirtschaftlichen Kurs tritt an die Stelle der alten Mondenastronomie, die vielfach verfälscht und in Bruchstücken auf die nachchristlichen Zeiten gekommen ist, eine Sonnenastronomie, deren Wirksamwerden im Verwandeln der Erde in die Freiheit des handelnden Menschen gestellt ist.

MANFRED KLETT, BAD VILBEL (DE)

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